„Das Rad ist mein Freund“, hatte er stets gesagt. Zusammen mit seinem Drahtesel avancierte der am 7. Juli 1970 in Ost-Berlin geborene Erik Zabel zu einem der erfolgreichsten Radsportler aller Zeiten.
In seiner fast 20-jährigen Radsport-Karriere gewann „Ete“ über 200 Rennen und sorgte mit seinen Etappensiegen bei der Tour de France in den 1990er-Jahren zusammen mit Jan Ullrich für einen wahren Radsport-Boom in Deutschland.
Im September 2008 erklärte einer der erfolgreichsten Sprinter aller Zeiten mit 38 Jahren seinen Rücktritt vom Profi-Sport: „Ich denke, dass dies der richtige Moment ist, um aufzuhören.“ Sein letztes Rennen bestritt Zabel im Rahmen der Berliner Sechs-Tage-Rennen – auf der Bahn.
Olympia-Medaille verpasst, Profi-Vertrag gewonnen
Dort wo auch alles begann. In der stickigen Halle auf der schrägen Holzfahrbahn zählte der junge Erik Zabel schon in den 1980er-Jahren zu den besten seines Fachs.
Bei den Junioren-Weltmeisterschaften 1987 (Dritter im DDR-Bahnvierer) und 1988 (Fünfter im Punktefahren) machte Zabel das erste Mal auf sich aufmerksam.
Nach der Wende wechselte der Ost-Berliner nach Dortmund. Rang 2 bei den deutschen Straßen-Meisterschaften ebnete ihm 1991 den Weg in das erste gesamtdeutsche WM-Aufgebot. Bei den Olympischen Spielen 1992 verpasste Zabel als Vierter seinem ersten großen Erfolg.
Belohnt wurde er danach aber dennoch, und zwar mit einem Profi-Vertrag. Zur Saison 1993 wechselte der Jung-Sprinter zum Team Telekom. Es sollte der Anfang einer der größten Erfolgsgeschichten des Radsports sein.
Wie Zabel das Team Telekom rettete
Nach einem „Schnupper-Jahr“ feierte Zabel 1994 beim Herbst-Klassiker Paris-Tours seinen ersten großen Profi-Sieg. Doch richtig aufmerksam wurde die Öffentlichkeit auf den ungestümen und endschnellen Sprinter aber so richtig erst ein Jahr.
1995 bei seiner zweiten Tour de France-Teilnahme, gewann Zabel, der zuvor schon bei der Tour de Suisse zwei Mal als Erster über die Ziellinie spurtete, zwei Etappen. Zwei Erfolge, die in der Folge große Bedeutung haben sollten.
Einerseits für ihn, weil er damit Olaf Ludewig als „Sprint-Kapitän“ im Team Telekom ablöste und andererseits auch für den gesamten Radsport in Deutschland. Denn erst durch Zabels Etappen-Siege konnte der zweifelnde Hauptsponsor vom Weitermachen überzeugt werden.
Wer weiß, ob es den deutschen Radsport-Boom der späten 1990er-Jahre auch ohne das „Magenta“-Team gegeben hätte?
Sechs Mal Grün, aber die Liebe bekam ein anderer
Zabel zahlte dieses Vertrauen in den Folgejahren mehr als nur zurück. Er gewann und gewann. Und das vom Frühjahr bis in den Herbst. Wenn der „Zabelhafte“ zum Sprint ansetzte, konnte die Konkurrenz häufig einpacken.
Neben zahlreichen Etappensiegen bei der Vuelta Espana, der Tour de Suisse oder der Bayern-Rundfahrt gehören auch die Klassiker-Siege beim Amstel Gold Race und bei Paris-Tours sowie bei Mailand – San Remo zu den größten Erfolgen in seiner Vita.
Im Jahr 2000 gewann Zabel sogar den Gesamt-Weltcup der zehn wertvollsten Eintagesrennen, seinerzeit auch die „heimliche Weltmeisterschaft“ genannt. Überstrahlt wurden all diese Erfolge aber von seinen Auftritten bei der Tour de France.
Sechs Mal – von 1996, 1997, 1998, 1999, 2000 und 2001 sogar sechs Mal in Folge – gewann Zabel bei der Tour de France das Grüne Trikot des besten Sprinters. Zwei Mal holte er sich „Grün“ sogar ohne Tagessieg. Bei insgesamt 14 Tour-Starts gewann er 12 Etappen.
Der bisherige Rekordhalter Sean Kelly aus Irland hatte das „maillot vert“ vier Mal errungen, verteilt auf acht Jahre.
Den großen Radsport-Boom löste Zabel damit aber trotzdem nicht aus, dafür sorgte ein anderer: Jan Ullrich. Der hochtalentierte Rotschopf, Zabels Teamkollege im Telekom-Team, gewann 1997 als erster Deutscher die Tour de France und wurde prompt zum „Liebling der Nation.“
Das war der Beginn eines äußerst ambivalenten Verhältnisses zwischen den beiden Platzhirschen.
Der hart arbeitende Sprinter, der das ganze Jahr erfolgreich war, wurde für seine Leistungen zwar respektiert, aber die Liebe und Zuneigung der Öffentlichkeit bekam jedoch der zum Dolce Vita neigende Rundfahrt-Spezialist, der einzig im Sommer Akzente setzte.
Oftmals bemängelte Zabel, dass Ullrichs Erfolg „alles andere im Radsport zerstört“ habe, weil sich alles nur noch um seinen Gegenpart drehte. Und immer wieder mokierte er sich über Spezialisten wie Ullrich, die ihren Fokus nur auf ein Rennen im Jahr legten.
Als Jan Ullrich „Radsportler des Jahres“ wurde, merkte Zabel zynisch an, dass es nicht „Radsportler des Monats Juli“ heiße.
Der peinliche Faux-Pas in San Remo
Denn er gewann schon Rennen als andere noch in der Saison-Vorbereitung waren, wie etwa den Frühjahrs-Klassiker Mailand – San Remo. Es war Zabels erklärtes Lieblingsrennen.
Vier Mal triumphierte der „Zabelhafte“ bei diesem Radsport-Monument (1997, 1998, 2000 und 2001) und es hätte sogar noch ein fünfter Erfolg dazu kommen können. Ja, sogar müssen.
Als er 2004 bei der „Primavera“ in Führung lag und dabei seinem fünften Erfolg entgegen fuhr, riss er in einer Gefühls-Mischung aus Euphorie und Selbstsicherheit wenige Meter vor der Ziellinie die Hände in die Höhe – allerdings zu früh.
So konnte er auf den letzten Zentimetern des 300-Kilometer-Rennens doch noch vom Spanier Oscar Freire abgefangen werden, da sich Zabel mit seinem stümperhaften Faux-Pas selbst besiegt hatte.
„Ich hatte gedacht, dass ich gewonnen habe, deshalb habe ich die Arme hochgerissen. Man kann darüber jetzt lachen oder weinen. Ich werde doch neuerdings eh immer als der ewige Zweite bezeichnet. Also sage ich, dass ich heute dieses Image unterstrichen habe“, erklärte Zabel mit einer gehörigen Portion Galgenhumor.
Mit diesem Erfolg hätte „Ete“ auch seine Kritiker eines besseren belehrt. In den letzten drei Jahren hatte Zabel immer öfter das Nachsehen gegenüber den jüngeren Sprintern, wie etwa dem aufstrebenden Italiener Alessandro Petacchi.
Mit Widerstand hatte er auch immer öfter teamintern zu kämpfen.
Sein Telekom-Team, das 2004 zum Team T-Mobile wurde, stellte ihm Jahr für Jahr immer weniger Sprint-Helfer für die Tour de France zur Seite, damit für Kapitän Ullrich mehr Adjutanten zur Verfügung standen.
2005 war die Zeit dann auch für die Berliner Sprint-Rakete beim „Magenta“-Team abgelaufen. Da ihm kein Startplatz für die Tour de France zugesichert werden konnte, verließ Zabel die Mannschaft in der er zum Star der Radsport-Welt wurde. Eine Ära ging zu Ende.
Letzte Hoffnung Milram
Ab der Saison 2006 trat Zabel für das Team Milram in die Pedale. Es sollte eine Kombination werden, von der beide Seiten profitieren.
Hier der Sprint-Altmeister Erik Zabel, der es den Zweiflern und dem Ex-Team zeigen will, dass noch große Siege in ihm stecken und dort die neugegründete Equipe, die sich schnell auf der großen Radsport-Bühne einen Namen machen will.
Für dieses Unterfangen bekam Zabel einen alten Bekannten zur Seite gestellt: Alessandro Petacchi. Ausgerechnet mit jenem sprintstarke Rivale, der ihm in den letzten Jahren viele Etappensiege vermasselt hatte sollte er nun als Doppelspitze fungieren.
Gelungen ist dies aber nur selten. Oder anders formuliert: Nicht so oft, wie man sich das gerne vorgestellt hätte. Mit einem Etappensieg bei der Bayern-Rundfahrt und zwei gewonnen Abschnitten bei der Vuelta Espana sprang für Zabel im ersten Milram-Jahr nur wenig raus.
Auch bei der Tour de France, dort wo es Zabel noch einmal allen zeigen wollte, dass er zu Unrecht abgeschrieben und abgeschoben wurde, klappte es nicht. Er sprintete zwar zehn Mal in die Top-10 und sogar zwei Mal auf Rang 3, aber für den ersten Etappensieg seit 2002 reichte es am Ende aber nicht.
Ebenso wenig in den folgenden Jahren. Sein Sieg auf der 6. Etappe in Alencon bei der Tour 2002 sollte sein 12. und zugleich letzter bei der Tour bleiben. Am knappsten war es noch 2007, als mit zwei zweiten Plätzen ganz knapp an Tour-Etappensieg Nummer 13 vorbei schrammte.
Sein Trostpreis: Nach der 6. Etappe übernahm er die Führung in der Sprintwertung und durfte so noch ein letztes Mal in „sein“ grünes Trikot schlüpfen!
Das dunkle Kapitel in Zabels Erfolgsgeschichte
Eine Reise in die Vergangenheit, die er zwei Monate davor auch auf eine andere Art und Weise antreten musste. Die „EPO-kalypse“ die Mitte der 1990er-Jahre über den Radsport hereinbrach, machte auch vor Saubermann Zabel nicht halt.
Zabel tauchte in den Doping-Enthüllungen um sein damaliges Team Telekom auf, für das er von 1993 bis 2005 aktiv war. Zabel wurde des EPO-Dopings beschuldigt, was er anfangs noch vehement abstritt, dann aber doch im Mai in einem tränenreichen Geständnis kleinlaut zugab.
Eine Woche, im Zuge der Tour 1996, habe er EPO probiert. Eine nur bruchstückhafte Beichte, die ihm später noch einmal zum Verhängnis werden sollte.
Seiner tränenreichen Zirkusnummer folgte sechs Jahre später mit dem Rücken zur Wand stehdend eine treuherzige Zugabe, in der er die Konsumation von EPO, Cortison und Blutdoping gestand.
„Ich habe viel länger gedopt, viele Jahre. Mit EPO, Cortison, dann sogar Blutdoping“ gab er zu, nachdem Proben von der 1998er-Tour nachkontrolliert wurden und diese eindeutig ihm zugeordnet wurden.
Dass er bis dahin nur von einer einmaligen kurzen EPO-Phase zu Beginn der Tour 1996 gesprochen hatte, begründete Zabel mit seiner damaligen Situation: „Vor allem wollte ich mein Leben behalten – mein Traumleben als Radprofi. Das hat man ja so geliebt, diesen Sport, die Reisen. Dieser Egoismus, der war einfach stärker.“
Für Zabel schließt sich der Kreis – auf der Holzbahn
Ein dunkles Kapitel in Zabels sonst so erfolgreicher und makelloser Erfolgsgeschichte, in der das Jahr 2008 zum Schlussakkord wird.
Nachdem er 2007 aber noch zwei Etappen bei der Bayern-Rundfahrt sowie je ein Teilstück bei der Deutschland-Tour, der Tour de Suisse und der Vuelta Espana gewinnen konnte, zündete die einstige Sprint-Rakete 2008 überhaupt nicht mehr
Einzig auf der 2. Etappe der bedeutungslosen Valencia-Rundfahrt im Februar konnte Zabel ein letztes Mal die Hände in die Höhe reißen. Diesmal war es aber nicht zu früh. Es war zugleich sein letzter Sieg in einem Straßenrennen.
Er hat in seiner großen Karriere fast alles gewonnen, was ein Radprofis von seinem Typus gewinnen kann – nur einem Triumph fuhr Zabel immer hinterher: dem Weltmeister-Titel. Zwei Mal (2004 und 2006) blieb ihm im WM-STraßenrennen „nur“ Silber, 2002 stand er mit Bronze am Siegespodest.
Sein letztes Profi-Rennen bestritt Zabel bei Paris-Tours, wo er drei Mal gewonnen hatte und 1994 seinen ersten großen Erfolg feiern durfte. Diesmal wurde es Rang 7.
Es war aber nicht der Schluss-Sprint in Eriks zabelhafter Karriere. Den absolvierte er nicht auf jenem Untergrund auf dem er seine größten Erfolge feierte, dem Asphalt, sondern auf jenem, auf dem alles begann: Auf der Holzbahn. Bei den Berliner „Six-Days“.
Dort stieg „Ete“ im Winter 2008 endgültig aus dem Sattel. Standesgemäß als Champion.
Zahlen & Fakten zu Erik Zabel
Zur Person:
Geburtsdatum: 7. Juli 1970 in Ost-Berlin
Nation: Deutschland
Fahrertyp: Sprinter
Teams:
1993 – 2005: Team Telekom bzw. Team T-Mobile
2006 – 2008: Team Milram
Seine größten Erfolge:
1 Etappe Tirreno-Adriatico
Berner Rundfahrt
3 Etappen Aragon-Rundfahrt
Paris-Tours
1 Etappe Tirreno-Adriatico
1 Etappe Aragon-Rundfahrt
2 Etappen 4 Tage von Dünkirchen
2 Etappen Tour de Suisse
2 Etappen Tour de France (6., 17.)
1 Etappe Ruta del Sol
3 Etappen Setmana Catalana
Rund um Köln
1 Etappe Luxemburg-Rundfahrt
2 Etappen Tour de France (3., 10.)
Tour de France, Grünes Trikot
1 Etappe Ruta del Sol
Ruta del Sol, Gesamtsieg
Trofeo Luis Puig
1 Etappe Valencia-Rundfahrt
Mailand – San Remo
Scheldepreis
2 Etappen Bayern-Rundfahrt
1 Etappe Luxemburg-Rundfahrt
1 Etappe Tour de Suisse
3 Etappen Tour de France (3., 7., 8.)
Tour de France, Grünes Trikot
Rund um Berlin
1 Etappe Mallorca-Rundfahrt
1 Etappe Valencia-Rundfahrt
3 Etappen Tirreno-Adriatico
Mailand-San Remo
2 Etappen Aragon-Rundfahrt
2 Etappen Bayern-Rundfahrt
1 Etappe Luxemburg-Rundfahrt
Tour de France, Grünes Trikot
1 Etappe Route du Sud
Deutscher Meister (Straßenrennen)
2 Etappen Tour Down Under
1 Etappe Valencia-Rundfahrt
1 Etappe Aragon-Rundfahrt
Rund um den Henninger Turm
2 Etappen Bayern-Rundfahrt
Tour de France, Grünes Trikot
1 Etappe Deutschland Tour
2 Etappe Katalonien-Rundfahrt
1 Etappe Tour Down Under
1 Etappe Ruta del Sol
Trofeo Luis Puig
1 Etappe Valencia-Rundfahrt
1 Etappe Tirreno-Adriatico
Mailand – San Remo
2 Etappen Setmana Catalana
Amstel Gold Race
1 Etappe Bayern-Rundfahrt
3 Etappen Deutschland-Tour
2 Etappen Katalonien-Rundfahrt
1 Etappe Tour de France (20.)
Tour de France, Grünes Trikot
UCI-Weltcup-Sieger
2 Etappen Mallorca-Rundfahrt
1 Etappe Ruta del Sol
Trofeo Luis Puig
1 Etappe Valencia-Rundfahrt
Mailand – San Remo
4 Etappen Bayern-Rundfahrt (Erdin)
3 Etappen Deutschland-Tour
2 Etappe Tour de Suisse
3 Etappen Tour de France (1., 3., 19)
Tour de France, Grünes Trikot
Cyclassics Hamburg
3 Etappen Vuelta a Espana
1 Etappe Tirreno-Adriatico
2 Etappen Setmana Catalana
Rund um den Henninger Turm
1 Etappe Bayern-Rundfahrt
1 Etappe Luxemburg-Rundfahrt
4 Etappen Deutschland-Tour
2 Etappen Tour de Suisse
1 Etappe Tour de France (6.)
Vuelta a Espana, Punktewertung
Rund um die Nürnberger Altstadt
Bronze-Medaille Straßen-WM
1 Etappe Murcia-Rundfahrt
2 Etappen Setmana Catalana
2 Etappen Bayern-Rundfahrt
Deutscher Straßenmeister
2 Etappe Vuelta a Espana
Vuelta a Espana, Punktewertung
Paris-Tours
Deutscher Meister (Straßenrennen)
1 Etappe Ruta del Sol
Rund um Köln
2 Etappen Friedensfahrt
2 Etappen Bayern-Rundfahrt
Vuelta a Espana, Punktewertung
Silber-Medaille Straßen-WM
Rund um den Henninger Turm
Paris-Tours
1 Etappe Bayern-Rundfahrt
2 Etappen Vuelta a Espana
Silber-Medaille Straßen-WM
2 Etappen Bayern-Rundfahrt
1 Etappe Tour de Suisse
1 Etappe Deutschland-Tour
1 Etappe Vuelta a Espana
1 Etappe Valencia-Rundfahrt